DID – Nicht allein mit sich selbst ~

Ich bin’s schon wieder!

Ich habe in dem Artikel (hier ich!) über den aktuell im Kino laufenden Film „Split“ schon kurz über die dissoziative Identitätsstörung gesprochen und angedroht, da einen eigenen Beitrag zu verfassen und ja, da sind wir nun!  Ich möchte vorweg nehmen, dass dieser Eintrag etwas länger werden könnte, da diese Störung recht komplex ist. Vielleicht lagere ich einen Teil in einen gesonderten, kleinen Eintrag aus, wie zum Beispiel die genauen Klassifizierungskriterien und die Häufigkeit.. wenn ja, findet ihr den Link dazu entweder hier, oder am Ende des Beitrags 🙂

Ich werde im Folgenden die englische Abkürzung DID (von dem englischen Begriff „Dissociative Identity Disorder“) für die Bezeichnung verwenden, da das deutlich kürzer ist als jedes mal den vollen Namen auszuschreiben.

Offizielle Definition:“ Die dissoziative Identitätsstörung – früher auch multiple Persönlichkeitsstörung (MPS/MPD) genannt – ist eine psychische Störung, die durch das Vorhandensein von zwei oder mehr unterscheidbaren Identitäten oder Persönlichkeitszuständen gekennzeichnet ist, die wiederholt die Kontrolle über das Verhalten der Betroffenen übernehmen.“  ~ Quelle

Mancher mag sich jetzt fragen „Wieso denn nicht mehr der bekannte Begriff der multiplen Persönlichkeitsstörung?“ Nun, weil man im Laufe der letzten Jahre zu der Erkenntnis gekommen ist, dass DID nicht in die Klassifizierung der Persönlichkeitsstörungen passt, sondern eben eine dissoziative Störung ist und so eine Anpassung der Bezeichnung von Nöten war.

Dissoziation bezeichnet dabei den Prozess, in welchem Teile des Erlebten von anderen Teilen inhaltlich trennt, wenn das Erlebte ein Übermaß an Angst, Schmerz oder Trauer verursacht. Dazu später bei Ursachen mehr!

Die Störung ist also auch eher ein Aufteilen der bestehenden Identität als die Entwicklung zusätzlicher Persönlichkeiten. Das erscheint gerade vielleicht noch ein und das selbe zu sein, aber ich denke es wird bald klarer.

Noch ein allgemeiner Punkt zu DID: Lange Zeit und teilweise sogar heute noch wurde die Störung als ein Mythos bezeichnet, als eine Vermischung von anderen Störungen wie der bipolaren Störung, Borderline Persönlichkeit, Depressionen, Schizophrenie (Nein, das ist NICHT das Gleiche!) und posttraumatischer Belastungsstörung (PTSB).  Es gibt auch Situationen, wo sich die Symptome  mit genannten Störungen überschneiden oder einige der Teilidentitäten an einer solchen Störung leiden, aber es ist nach vielen Studien nachweisbar, dass eindeutig zwischen den Störungen unterschieden werden kann.

Um das hier noch einmal zu betonen: Entgegen dem allgemeinen Glauben sind DID und Schizophrenie NICHT die gleiche Störung. Wie eben angesprochen können sich einige der Symptome (kommen gleich!) ähneln oder überschneiden, aber die DID unterscheidet sich deutlich von der Schizophrenie darin, dass

  • Schizophrenie nicht durch schwerwiegenden Gedächtnisverlust gekennzeichnet ist.
  • Betroffene hören zwar „Stimmen im Kopf“, Schizophrene empfinden diese Halluzinationen aber als real, während Betroffene der DID sich dieser Trugwahrnehmung durchaus bewusst sind.
  • Bei der Schizophrenie ist es außerdem die Persönlichkeit des Erkrankten, die handelt, nicht verschiedene wie bei  DID

Es gibt noch mehr Unterschiede, aber das würde hier den Rahmen sprengen.

Symptome

Der Betroffene kann von 2 bis zu mehr als 100 (!) voneinander unterscheidbare Identitäten in sich haben. Im Durchschnitt sind es aber 8-10.

Die einzelnen Persönlichkeiten, im Englischen Alters (Altered States of Consciousness) genannt, können eigene Namen, Geschlechter, Erinnerungen, Verhaltensweisen und (sexuelle) Vorlieben haben. Diese Unterschiede können sogar physischer Natur sein, das bedeutet, dass z.B die Kernidentität keinerlei Allergien hat, eine Teilidentität aber z.B gegen Katzen allergisch ist. Es gibt auch Berichte von Alters die Farbenblind sind, eine geringere Sehstärke haben oder eben auch eine ganz andere Handschrift. Außerdem gibt es verschiedene Arten von Alters:

  • Hosts leiten das System der Teilidentitäten, sind oft die Kernidentität, das muss aber nicht so sein.
  • Protectors sind Identitäten, welche die Aufgabe haben, das System zu schützen und vor angstauslösenden Situationen zu bewahren.
  • Außerdem können Alters auch fiktionale Charaktere, Tiere, Objekte oder sogar eine Introjektion des Täters sein.
  •  Fragmente sind keine ganz ausgereiften Identitäten sondern nur dazu da, gewisse Teile einer Erinnerung zu halten oder sind nur für eine einzige kleinere Aufgabe gedacht. Diese.. schwächeren Alters treten auch nie in den Vordergrund.

Nach der Structural Dissociation Theory gibt es zwei Gruppen von Identitäten, einmal die „Apparently Normal Parts“, kurz ANP’s und die „Emotional Parts“, oder auch EP’s.

Die ANP’s  haben keinerlei Wissen und Erinnerungen darüber, was in der Vergangenheit passiert ist und was zu der Dissoziation geführt hat. Diese Art der Alters möchte nur ein normales Leben führen und dem Host dabei helfen, ein solches zu haben.

Die Emotional Parts haben die Erinnerungen an die traumatischen Ereignisse, hängen oft in der Zeit fest und leiden oft an einer zusätzlichen Störung wie einer Depression, Aggressivität oder selbstverletzendem Verhalten.

Ein weiteres Symptom ist die regelmäßige Übernahme der Kontrolle von mindestens zwei der Alters über das Verhalten der Person und die damit einhergehenden schweren Gedächtnislücken. Diese Lücken sind nicht mit einfacher Vergesslichkeit vergleichbar! Stellt euch vor, ihr kommt nach Hause und findet auf dem Küchentisch einen Einkaufszettel, den ihr selbst aber nicht geschrieben habt. Oder ihr macht den Kleiderschrank auf und findet fünf neue Pullover, obwohl ihr euch sicher seid, seit mindestens zwei Wochen keine neuen Pullover gekauft zu haben.

Am Anfang und ohne therapeutische Behandlung ist sich der Host der anderen Teilidentitäten nur teilweise oder gar nicht bewusst, so dass er sich eben auch nicht an deren Handlungen erinnern kann. Genau so ist es mit den anderen Teilidentitäten. Einige wissen von anderen Identitäten im System, aber vielleicht auch nicht von allen, andere wissen gar nichts davon, wieder andere kennen alle und so weiter..

Ursachen:

DID entsteht nicht durch körperliche Wirkungen von Substanzen (Wie die Vergesslichkeit bei zu viel Alkoholkonsum oder Drogen) oder Krankheiten (z.B epileptische Anfälle mit Bewusstseinstrübungen).

Die wirklichen Ursache ist eine Traumatisierung im frühen Kindesalter, das heißt vor dem 5. Lebensjahr ungefähr, wie wiederholter massiver sexueller oder körperlicher Missbrauch (wer sich unter massiv nichts vorstellen kann: Stellt euch eine Sekte vor, in der ein Kind in dem Alter fast einem Ritual ähnlich immer wieder vergewaltigt wird. Ja, mir wird bei dem Gedanken auch schlecht.) , extreme Vernachlässigung (Stichwort Hospitalismus) oder aber etwas seltener andere Traumata wie schwere Lebenssituationen durch Krieg oder das Miterleben des Todes eines Familienmitglieds.

Wieso kommt es aber nun zu einer Dissoziation?

Da der Täter in den meisten Fällen ein nahes Familienmitglied ist, kann von dort keine Hilfe erwartet werden. In dieser Hilflosigkeit trennt das Kind als Schutz das reale Geschehen vom Bewusstsein ab und schafft sich so einen gedanklichen Rückzugsort aus der unerträglichen Situation. Bei dem Abtrennen dieser Erinnerungen wird auch ein Teil des Bewusstseins mit dissoziiert und so entstehen die Alters, die Teilidentitäten.

Häufigkeit

Die Störung ist zwar häufiger vorhanden als bisher angenommen, aber immer noch recht selten. Es wird davon ausgegangen, dass ungefähr 1-1,5% der Personen in klinischer Behandlung daran leiden, wobei Frauen ca. 6 mal häufiger betroffen sind als Männer. So interessant es auch wäre, mehr Personen damit treffen zu können um vielleicht auch aus Forschungssicht mehr erfahren zu können, ist es meiner Ansicht nach gut, dass es nur so wenige sind, wenn man sich noch einmal ins Gedächtnis ruft, was für ein Schicksal dahinter hängt wenn jemand damit zu kämpfen hat.

Behandlung

Hier wird in einer Therapie versucht zunächst das Bewusstsein über die im System vorhandenen Alters zu schaffen und dann diese zur Kommunikation miteinander zu bewegen. Anschließend wird daran gearbeitet, die Teilidentitäten wieder zu einer einzigen Persönlichkeit zusammenzufügen.

 

So. Das war eine.. ich nenne es mal halbtiefe Einführung in die dissoziative Identitätsstörung. Eine wirklich sehr interessante psychische Störung, auch wenn man darüber nachdenkt, was für Auswirkungen diese auf das Leben des Betroffenen, aber auch auf das der Menschen, die mit dem Betroffenen in Kontakt stehen, haben kann. Ich hoffe aus dem oben Geschriebenen ist klar geworden, dass die Alters dazu gedacht sind das Kind zu schützen und nichts anderes. Entgegen der in den Medien verbreiteten Form, sind Menschen mit DID nicht kriminell und schon gar keine Mörder. Das würde dem kompletten Zweck der Alters widersprechen, Stress, Angst und Gefahr zu vermeiden.

Zum Abschluss möchte ich hier nochmal auf den Youtube Kanal von MultiplicityAndMe hinweisen.  Hier erzählt eine junge Frau von ihrem Leben mit DID, stellt Methoden vor, die ihr dabei geholfen haben mit der Krankheit umzugehen und hat auch ein Video, wo sie ihre Alters vorstellt. Besonders letzteres ist unfassbar interessant, da alle ihre Alters männlich sind und an der Gestik und Mimik erkennen kann, dass es wirklich verschiedene Personen sind. Das Video beinhaltet auch eine kleine Erklärung der Störung, wo ich besonders in dem Bereich über die Arten der Alters viel draus entnehmen konnte. Das ganze Video gibt’s hier. Schaut es euch wirklich mal an, wenn euch das auch nur ein kleines bisschen interessiert 🙂 Hier findet ihr das gleiche Video aber ab der Stelle, wo sie ihre Alters vorstellt (übrigens auf eine sehr kreative Art und Weise).

Ich bedanke mich ganz herzlich, wenn du bis hier her gelesen hast. Gedanken zu dem Thema? Weitere Fragen? Hinweise auf für mich Interessantes? Schreib mir gern hier drunter!

Ansonsten wünsche ich einen schönen restlichen Tag und bis bald!

Und sorry für den langen Text.

~Nachtfeuer

Links:Beitragsbild, YouTube Kanal MultiplicityAndMe,

Quellen: Psychology TodayOnmeda.de zu DIS

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